Rituale in der Trauer

Halt - Verbindung - Struktur

Was sind eigentlich Rituale?

Durch Traditionen und Rituale gewinnt der Mensch Orientierung und Halt. Sie schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, stiften Identität und schenken Stabilität in Lebenskrisen. Jede Kultur, jede gesellschaftliche Schicht, jede Glaubensgemeinschaft, jede Familie, jeder Freundeskreis und jedes Team pflegt seine eigene Riten. Sie geben ihnen ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Alltagsrituale machen den familiären Zusammenhalt erlebbar und vermitteln Schutz, Geborgenheit und Struktur. Insbesondere Kindern schenken sie ein Gefühl von Sicherheit. (z.B. Einschlafritual) Rituale können aus dem Brauchtum übernommen werden, aus der Familientradition weitergegeben, individuell (um)gestaltet werden oder einfach aus Zufall entstehen.

Wir lieben unsere Weihnachtstraditionen, die wir von unseren Eltern übernommen an unsere Kinder weitergeben. Wir entwickeln in der Familie neue Geburtstagsrituale, die den Ehrentag so besonders machen.

Rituale begleiten uns durch unser Leben und unsere Trauer. Sie sind mit Emotionen aufgeladenene Handlungen und schenken Halt und Beständigkeit.

Unterstützende Trauerrituale

Den Abschied eines geliebten Menschen zu gestalten ist nicht einfach. Unter dem Einfluss des noch immer nicht realisierten Todes fühlt man sich nicht handlungsfähig, eine Trauerfeier zu planen und durchzuführen. Zum Glück gibt es viele Bestatter, die den individuellen Wünschen der Hinterbliebenen nachkommen, sie in allen Belangen unterstützen und fast allen Wünschen entsprechen. Denn gerade dieser Abschied im Persönlichen und im Rahmen der Trauerfeier ist durchzogen von Ritualen und Symbolen. Sie geben den Trauernden Halt und ein Gemeinschaftsgefühl, sie spenden Trost und machen den Abschied zu einem besonderen, erinnerungswürdigen Moment.

Rituale in der Trauer an Jahrestagen

Geburtstage oder Todestage des Verstorbenen sind meist schon im Vorfeld eine Belastung für die Hinterbliebenen. Sie haben oft das Bedürfnis zu Fliehen vor dem Schrecken und der Schwere dieser besonderen Tage, an dem man ganz besonders die Lücke spürt, die ein geliebter Mensch hinterlassen hat. Es kann aber eine große Hilfe sein, gerade diese Zeit bewusst zu begehen, sie zu planen und sie mit kleinen Ritualen zu bestücken, zum liebevollen Gedenken alleine oder in der Gemeinschaft der Familie oder Freunde, auch wenn die räumliche Distanz es eigentlich nicht zulässt.

Hier einige Impulse, die dich bestärken mögen, Gedenktage bewusster zu leben:

  • Etwas Geselligkeit in vertrauter Runde tut dir sicher gut. Wenn ihr zusammen das Lieblingsessen des Verstorbenen zubereitet, schafft das ein besonderes Gemeinschaftsgefühl und eine Verbindung zu dem Menschen, den ihr verloren habt. Sollte es die räumliche Distanz der Familienmitglieder oder Freunde nicht zulassen, funktioniert dieses Ritual auch per Videocall.
  • In Erinnerungen schwelgen und diese zu teilen ist gerade an Jahrestagen wichtig und tröstend. Holt doch einfach die Fotoalben raus oder schaut euch zusammen persönliche Filme an. Jeder hat sicher eine Geschichte zu erzählen. Kennst du schon das Erinnerungsglas? Schau mal hier!
  • Vielleicht ist dir eher Bewegung und du besuchst Orte, die in Verbindung mit dem Verstorbenen stehen. Eine Wanderung mit nahestehenden Menschen könnte dir gut tun und ihr stärkt euch bei einem anschließenden Picknick.
  • Welche Besonderheit des Verstorbenen kannst du zu einem Ritual etablieren? Welche Eigenart durchkreuzte sein oder euer gemeinsames Leben? Welche Dinge, die ihm wichtig waren, kannst du weiterführen? Siehe auch Individuelle Rituale, ganz unten.
  • Besonders an Geburtstagen könntest du den Tag mit etwas anreichern, was der Verstorbene gern gemacht hat?
  • Das Licht einer Kerze schenk Trost und Wärme. Es zeitgleich mit Freunden und Familie anzünden, vielleicht zur Todesstunde, ist ein besonders starkes und verbindendes Symbol.

Rituale in der Trauer zur Weihnachtszeit

Auch Weihnachten gehört nach dem Tod eines geliebten Menschen zu den Tagen, die man gerne überspringen möchte. Aber auch hier ist es möglich, seinen Seelenmenschen mit in das Weihnachtsfest einzubeziehen oder es ans Grab zu bringen. Oft reichen kleine Anpassungen, als ein zartes Band zu dem Verstorbenen. Man kann auch ganz neue Rituale entstehen lassen, sollte aber überdenken, wieviel Veränderung man wirklich aushalten kann.

  • Wie im bekannten Bonhöffer Weihnachtsritual kannst du einen geschmückten Zweig deines Weihnachtsbaums zum Grab bringen oder ein Foto vom Weihnachtsbaum aufstellen.
  • Oder auch umgekehrt etwas vom Grab mitnehmen (Blätter, trockene Früchte) und in die Weihnachtsdekoration integrieren.
  • Welches war die Lieblingsspeise oder das Lieblingsgetränk des Verstorbenen? Integriere es ins Weihnachtsmenü.
  • Wenn du in den Weihnachtsgottesdienst gehst, stärkt es dich vielleicht im Anschluss das Grab zu besuchen.
  • Du könntest ein weihnachtlich gestaltetes Windlicht als „Geschenk“ zum Grab bringen
  • Für Kinder ist es ein besonderer Moment, wenn sie gebastelten Weihnachtsschmuck aufs Grab legen

Individuelle Rituale in der Trauer

Die schönsten und kraftvollsten Rituale ergeben sich manchmal ganz ohne Zutun, weil wir einfach nur Dinge oder Gegebenheiten aus der Zeit mit unseren Seelenmenschen aufnehmen und regelmäßig wiederholen. Hier sind Beispiele, wie individuelle Rituale entstehen können:

„Es war ein grauer Tag Ende Oktober, 3 Monate nachdem meine liebe Schwester gegangen war. Ich hatte ein Herz aus Moos, Blüten und Bändern gestaltet, um es zu Allerheiligen auf ihr Grab zu legen. Bevor ich es ins Auto trug, betrachtete ich es noch einmal und zupfte das verrutschte Band zurecht. „Ob es ihr wohl gefallen würde?“ dachte ich und war mir ganz sicher, sie würde es mögen. Plötzlich hörte ich es. Zunächst kaum wahrnehmbar und dann immer lauter. Ich schaute in den Himmel. Da waren sie ja wieder. Ein Schwarm Kraniche zog über mich hinweg. Beeindruckend war es, wie sie sich lauthals neu formatierten, um dann still im sanften Flug weiterzuziehen. Für meine Schwester und mich waren die Kraniche unsere Seelenvögel. Und wer sie als erste im Frühling entdeckte oder im Herbst fortziehen sah, rief den anderen an. „Kranichalarm“ hieß es dann immer. Unser kleines Ritual. Und jetzt stand ich hier alleine mit dem Moosherz für ihr Grab in der Hand und schaute ihnen noch lange mit tränenverschwommenem Blick nach.

Auf dem Friedhof legte ich das Moosherz behutsam in den weichen Boden und zündete eine Kerze an. Dann hörte ich es wieder und dieses Mal war es ein solch mächtiges Getöse direkt über mir, dass ich erschrocken hochschaute. Mehrere Schwärme formatierten sich über mir vor einer imposanten Wolkenkulisse. Ich stand nur da mit Blick in den Himmel – beeindruckt, berührt und glückseelig. Welch magischer Moment, der sich für alle Zeiten in mein Herz einbrannte.

Ich hänge seitdem jedes Jahr, wenn die Kraniche ziehen, einen Origami Kranich in den Rosenbaum auf dem Grab meiner Schwester. Mein kleines Ritual.“

„Mein Vater liebte das Lied „Die letzte Rose“. In dem Stück wird die letzte Rose im Herbstgarten beschrieben, wie sie alleine verblüht. Er hat es kurz vor seinem Tod immer wieder gehört. Für mich selbstverständlich, dass ich meinem Vater im Herbst die letzte Rose aus meinem Garten pflücke und sie ihm aufs Grab lege“

„Wir sind oft zusammen gereist, wollten uns so lange es geht die Welt anschauen. Jetzt muss ich ohne meinen Mann reisen, aber ich bringe ihm von den Orten, die er nicht mehr gesehen hat einen besonderen Stein oder eine Muschel mit und lege ihn aufs Grab.“

„Zu jedem Fest und jedem Gedenktag, welches wir seit dem Tod meiner Mutter begehen, stoßen wir mit Ouzo an und senden ihr einen Gruß an den Ort, wo sie jetzt ist. Den trank sie gerne und holt sie ein stückweit in unsere Runde“

„Wir stellen zu Weihnachten immer die Bilder unserer  Verstorbenen auf und schmücken sie mit einer kleinen Lichterkette und silbernen Sternen. Es ist ein schönes Gefühl sie so näher bei uns zu wissen.“

Welche Rituale hast du etabliert, die dich durch schwere Jahrestage und die Weihnachtszeit führen. Ich freue mich, wenn du sie in den Kommentaren teilst.

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